Der Artikel ist eine
Ergänzung zu Richard Heubergers „Struwelpeter, eine Ballet-Pantomime“,
basierend auf einer Ansichtskarte mit der Darstellerin des „Struwwelpeter“
1897 wurde Karl Lueger Bürgermeister in Wien. Die städtebauliche Neugestaltung
Wiens war schon seit einigen Jahren das vorherrschende Anliegen, nicht nur zum
Ruhm der Kaiserstadt, sondern auch aus sozialen, wirtschaftlichen und politischen
Überlegungen heraus. Da die Bautätigkeit u. a. in Form von prächtigen Palais
entlang der Ringstraße ihren sichtbaren Ausdruck fand, spricht man von der sgn.
„Ringstraßenzeit“. 1898 zum 50-jährigen Regierungsjubiläum von Kaiser Franz
Joseph I. entstand nicht nur in Wien ein Kaiser-Jubiläumstheater. „Kaiser-Jubiläums-Schulen“
vor allem und „Kaiser- Jubiläumstheater“ gab es verstreut in der ganzen
Monarchie. In Baden findet sich diese Bezeichnung auf einem alten
Volksschulgebäude, das heute eine Schule für „Allgemeine Gesundheits- und
Krankenpflege“ beherbergt. Das Stadttheater Baden trug früher ebenfalls diesen
Namen, allerdings wurde der Neubau zum 60-jährigen Regierungsjubiläum gebaut.
Eigentlich sollte es „Kaiser-Franz-Joseph-Jubiläums-Stadttheater“
heißen, der Hof verweigerte aber diese Benennung und die Badener begnügten sich
mit der Bezeichnung „Jubiläums-Stadttheater“. Generalunternehmer waren dies
Architekten Fellner & Helmer, die zwischen 1872 und 1910 48 Theaterbauten
errichteten, 13 davon im „Ausland“ (z. B.: das Theater in Fürth, das
Schauspielhaus Hamburg, die Tonhalle Zürich),
alle anderen innerhalb der Grenze der österreichisch-ungarischen Monarchie.
Sie sind unverkennbar im Stil und in den Nachfolgestaaten der Monarchie heute
noch deutlich zu erkennen. Baubeginn in Baden war am 14. September 1908, eröffnet
wurde am 2. Oktober 1909 mit einem Programm, das in Baden seither eine gewisse
Tradition für ähnlich festlich-feierliche Anlässe hat: „Die Weihe des Hauses“,
von Beethoven in Baden 1822 komponiert zur Eröffnung des Theaters in der
Josefstadt, der Monolog des Ottokar von Hornek aus
Grillparzers „König Ottokars Glück und Ende“ (Lobrede auf Österreich): Er ist ein guter Herr, es ist ein gutes Land,
wohl wert, daß sich ein Fürst sein unterwinde! Gespielt wurde die „Fledermaus“, die ja
eigentlich in Baden spielt.
Das in Wien geplante Kaiserjubiläums-Stadttheater war in erster
Linie zur Aufführung von deutschen Sprechstücken gedacht. Die Initiative ging
von einem eigens dafür gegründeten Verein aus, der den Architekten Alexander
Graf mit dem Bau beauftragte. Zusammen mit dem Architekten Franz Freiherr von
Krauß errichteten sie es in einer Bauzeit von nur 10 Monaten. Erst im März 1898
wurde begonnen und durch den enormen Zeitdruck erhöhte sich der veranschlagte
Betrag von 650.000 Gulden um rund 25 %, um 160.000 Gulden. Die Stadt
subventionierte diese Kostenüberschreitung aber nicht, sondern der erste Theaterdirektor
Adam Müller-Guttenbrunn (1852 –1923) bekam einen
erhöhten Pachtzins vorgeschrieben. Das war kein guter Start, dazu kam noch, dass
der Kaiser nicht bei der Eröffnung anwesend war, da drei Monate vorher (10.
September 1898) seine Frau, Kaiserin Elisabeth in Genf ermordet worden war. Es
war ihm nicht darnach und außerdem herrschte strenge Hoftrauer. 1903 kam es zum
ersten Konkurs und am 1. September 1903 übernahm Rainer Simons die Direktion
Theaterdirektor, Regisseur und Sänger, * Köln am 16. September
1869, † 17. August
Am 1. September 1903 übernahm er das bankrotte Wiener
Kaiser-Jubiläums-Theater mit der Absicht, in Wien neben der Hofoper ein zweites
Operntheater mit günstigeren Eintrittspreisen zu etablieren. Zu diesem Zweck
setzte er auf das Musiktheater, erneuerte das künstlerische Personal und setzte
ab 1904 Opern und Operetten auf den Spielplan. Ab 1908 setzte sich die
Bezeichnung „Volksoper“ durch, und so heißt das Haus heute noch.
Maria Jeritza, (ihr Aussehen beschreibt Marcel
Prawy: Eine Stimme wie Birgit Nilsson,
ein Aussehen wie Marilyn Monroe)
Josef v. Manowarda war der Sohn eines österreichischen Generals,
der an Volksoper und Staatsoper sang, er sang auch bei den Salzburger
Festspielen und in Bayreuth.
Simons leitete das Haus bis 1917. 1904 holte er Alexander Zemlinsky (1871 –1942) als Dirigent und Komponist nach Wien;
unter ihm kam es auch zu österreichischen Erstaufführungen von „Tosca“ (1907)
und „Salome“ (1910). Er arbeitete mit Heinrich Lefler
(1863 –1919) zusammen, der nicht nur Kinderbücher illustrierte, sondern auch
als Bühnenbildner an Volks- und Staatsoper tätig war. Auch Leo Slezak sang bei Simons an der Volksoper.
Als es ab 1944 ein absolutes Spielverbot in Wien für alle Theater
gab, war die Wiener Volksoper das zweitgrößte Kino Wiens mit 1550 Sitzen.
In Wien geht NICHTS verloren: Der eiserne Vorhang wurde vor dem
Krieg weggeräumt, dann war er verschollen und tauchte erst in den 1990er Jahren
am Dachboden des „Theaters an der Wien“ wieder auf.
Unter Simons wurde ein breit gefächertes Programm geboten, von
Operette bis zu Wagners „Ring“; u. a. wurde auch „Charlys Tante“ gespielt. Mit
Webers „Freischütz“ unter Zemlinsky wurde das
bisherige Sprechtheater zur „Volksoper“.
So wurde auch Heubergers „Struwelpeter,
eine Ballet-Pantomime“ aufgeführt und von einer
dieser Aufführungen gibt es Postkarten mit der Hauptdarstellerin „Christine von
Hermann“, über die ich nichts
Näheres in Erfahrung bringen konnte. Möglicher Weise handelte es sich bei
dieser Aufführung um eine sgn. Wohltätigkeitsaufführung/Schüleraufführung, und
die stolzen Eltern der jungen Hauptdarstellerin ließen die Ansichtskarte auf
eigene Kosten herstellen. Im Archiv der Volksoper existieren keine
Aufzeichnungen darüber. Eine Kopie dieser Ansichtskarte gibt es aber jetzt im
Archiv.
Simons machte mit seinem Konzept der
„Volksoper“ der schwerfälligeren Hofoper ernsthaft Konkurrenz und schnappte ihr
so manche Ur- oder Erstaufführung weg (s. „Tosca“ und „Salome“).
Nach seinem Ausscheiden aus der Volksoper plante er immer wieder
Projekte und büßte dabei nicht nur sein Vermögen ein, sondern auch seine
Gesundheit. Mit nur 65 Jahren starb er unter nicht geklärten Umständen in
Rottach-Egern.