Niemand friert gerne! Sehen wir von den offenen Feuerstellen der Urzeit
einmal ab, so dürfte der Kachelofen das älteste Heizgerät sein. Wenn er heute
auch ganz anders aussieht als z. B. der Pfahlbauofen aus der Bronzezeit um 2500
v. Chr. – eine Feuerstätte aus Lehm und Steinen, wobei die Steine schon damals
die Aufgabe hatten, die Wärme zu speichern – so ist das nur allzu verständlich.
Damals verstand man unter „Wohnkultur“ sicher nicht das, was wir heute meinen,
wenn wir diesen Begriff benutzen. Der wahrscheinlich älteste Kachelofen einer
heute noch üblichen Bauart steht vermutlich in der Landesfürstlichen Residenz
in Meran und stammt aus dem 15. Jahrhundert.
Die verschiedenen Stilepochen, beginnend mit der Gotik über die Renaissance,
Barock, Rokoko, Klassizismus, Biedermeier, Gründerzeit/ Historismus und
Jugendstil bis ins 21. Jahrhundert, fanden und finden ihren Niederschlag auch im
Kachelofenbau. Eine letzte Blüte erlebte der Kachelofen in der 2. Hälfte des
19. Jahrhunderts, vor allem in Kreisen des wohlhabenden Bürgertums. Genau wie
in der Architektur, bei Möbelbau und Mode griff man auf Vorbilder aus Gotik, Renaissance
und Rokoko zurück. Die Öfen waren prächtig gestaltet, mit bunt bemalten und
glasierten Kacheln.
Die künstlerische Gestaltung nahm oft auch Bezug auf den Beruf des
Auftraggebers, in Bild und Schrift. Welchen Beruf nun der Auftraggeber des
Kachelofens hatte, von dem ich eine Kachel besitze, weiß ich nicht. Er hatte
aber offensichtlich etwas für Literatur übrig. Dass er Schillers Glocke zitiert
(... und dreht um die schnurrende Spindel
den Faden, und füllet mit Schätzen die duftenden Laden ...), ist ja weiter
nicht verwunderlich, wer zitierte Schiller nicht im 19. Jahrhundert!? Aber daß er auch Heinrich Hoffmann zitiert, noch dazu bildlich,
ist doch bemerkenswert. Neben der spindeldrehenden Hausfrau in romantisierender
altdeutscher Kleidung sitzt ein kleines Mädchen mit einem Bilderbuch am Schoß.
Und wer ist ganz genau zu erkennen? – Der
Struwwelpeter! Die Kachel ist 45 cm hoch, 25,5 cm breit und 3,5 cm
tief. Die Spuren auf der Rückseite zeigen, dass dieses gut erhaltene Stück
tatsächlich Bestandteil eines Kachelofens war.